Wenn du wüsstest! Brief an mein 16j. Ich
29. November 2017
Eigentlich hielt ich die anderen immer für Spaßbremsen
und Langweiler. Gerade wenn man 16 ist, will man doch so sein, wie sonst keiner
ist. Versuchen tun es viele, aber leben wenige. Ich weiß gar nicht so genau
wann das bei mir angefangen hat, dass ich plötzlich ganz anders war als meine
Schulkollegen. So eine typische Emophase hat in meiner Zeit wohl jeder einmal
durchlebt. Es war einfach ein Alter für Trotz, Widerstand und Gejammer. Emo zu
sein war ziemlich anstrengend. Ich mochte es sehr gerne, weil es eben anders
war. Übertreiben wollte ich es jedoch nicht. Ich blieb zu dieser Zeit meinen
dunklen Haaren treu und hatte keine Leopardenmuster in meine nicht vorhandenen Extensions
gesprayt. Auch wenn ich mich unter meinem seitlichen Pony versteckte, war ich
nie jemand vor dem man Angst haben musste. Generell wurden Emos ja sowieso eher
belächelt, als dass sie Angst verbreiteten. Auch, weil ja Emos nur heulten und
sich ritzen – lt. den anderen jedenfalls! Die meiste Zeit spielte ich das Ganze
nur, so wie jeder von uns. Diese Coolness und Individualität kam einfach gut
an, punkt! Als diese Zeit vorbei war, bemerkte ich erst, dass ich doch nicht so
bin wie die anderen. Das ich nicht ganz dicht war, wurde mir zwar von meiner Freundin
Laura mehrmals bestätigt, aber eigentlich störte es sie nie, dass ich wie ein
bunter Vogel durch die Gegend lief. Ich hatte dann plötzlich Schminkstile á la
70er und trug zu meinen blitzblauen Strumpfhosen ein pinkes Kleid. Völlig
normal für mich und mir gefiel es, dass sich so viele darüber aufregten. Die
Blicke in der Schule fand ich super und selten hatten mich Leute angesprochen
oder mich genervt. Warum, keine Ahnung – fands aber toll. Ich hatte 10 bunte
Strumpfhosen, mein Kleiderschrank war bunt und meine liebsten Accessoires waren
Maschen in den Haaren. Je größer und auffälliger, desto besser! Und je verrückter
sie waren, desto lauter wurden die Seufzer meiner Omi. Sie konnte das zwar
nicht verstehen, aber sagte nie etwas. Ich glaube, sie fand es eigentlich ganz
cool!
Es dauerte ein, zwei Jahre bis sich die Buntheit legte
und sich aber auf meine Haare projizierte! Ich war zwar oft noch etwas
gewöhnungsbedürftig gekleidet, aber plötzlich hatte ich beschlossen, meine
langen Haare abzuschneiden und mir knallige orange Haare färben zu lassen. Mit
meinen Haaren bin ich generell sehr spontan und so habe ich mich von der
Friseurin auch zu einem All-over-Cut (Under- und Sidecut) überreden lassen! Ich
liebte es unglaublich und als das Orange langsam zur Neige ging, wurde es ein
beeriger Ton, den ich ebenfalls sehr mochte! Das tolle an den Haaren war, dass
mich meine Freunde in der Früh am Hauptbahnhof nicht suchen mussten, weil meine
Haare so herausstachen. Win- Win- Situation, da ich eh so klein bin und man
mich oft wo suchen musste! Nachdem ich meine Haare wieder dunkel hatte und meine
Haare wieder länger geworden waren, war ich auch nicht mehr ganz so speziell
angezogen und fand mich auch ein wenig fad. Obwohl ich oft auf Unverständnis gestoßen
bin mit meinen Stilen, war es für mich die spannendste Zeit überhaupt! Ich fand
alle anderen langweilig und hatte sehr viel Mut und Selbstbewusstsein. Ich wollte
partout nicht so sein wie alle anderen Mädchen aus meiner Klasse – was ich
denke ich ganz gut hinbekommen habe. Ich weiß gar nicht, wieso mir das so
wichtig war, aber ich wollte nicht älter sein und mir dann denken „hätte ich
nur mal meine Haare gefärbt“, „hätte ich nur mal Piercings gehabt“. Tatsächlich
ist es bei mir jetzt noch immer der Fall, dass ich sehr gerne meine Haare
färben möchte oder mir wieder ein Piercing nachstechen will. Doch dann denke ich
oft, ich bin zu alt. Es ist völliger Quatsch, aber irgendetwas hält mich davon
ab.
Hey Magdalena,
ich bin extrem stolz auf dich! Ich finde es großartig,
dass du so bist, wie du bist und dein Ding durchziehst. Auch wenn du dich etwas
mehr auf die Schule, statt auf jeglichen anderen Blödsinn konzentrieren könntest,
kann ich dir jetzt mit Sicherheit sagen, dass du nicht nur zwei
Lehrabschlussprüfungen schaffst, sondern auch eine Studienberechtigungsprüfung
machst! Du wolltest schon immer die Matura machen und danach studieren. Auch
wenn du dich dann mit 18 dagegen entscheidest, so wirst du mit 24 dann doch noch
studieren! Ich kann dir sagen, dass du auf jeden Fall öfter auf deine Eltern hören
könntest, denn sie wollen dir nur Gutes und unterstützen dich immer! Ich meine,
wer hätte gedacht, dass du deine Mama doch zu Piercings überreden kannst und
dich deine Eltern mit dem schwarzen Zeug um deine Augen rausgehen lassen? Du
kannst dich glücklich schätzen, solche toleranten und coolen Eltern zu haben. Auch,
dass du in Mathe wieder einmal negativ stehst, kannst du ruhig von vornherein
erzählen, denn sie reißen dir garantiert keinen Kopf ab! Dies wurde ja schon
mehrmals bestätigt! Glaub auch deiner Mama, wenn sie sagt, dass das sicherlich
nicht dein erster und letzter Freund gewesen ist und das kannst du mir
ebenfalls glauben! Denn es kommen und gehen viele Freundschaften und Lieben und
jetzt endlich hast du jemanden gefunden, der für dich einfach alles aufgegeben hat
und für den du ebenfalls einiges aufgegeben hast! Manchmal bist du sauer auf
deine Schwester, aber das macht nichts, weil das vergeht und sie später auch
mal ganz schön vermissen wirst! Schade, dass du jetzt mit 16 noch nicht weißt,
dass du mit 23 dann auch schon selbstständig bist und du noch immer zeichnest! Leb
bloß so weiter wie du es bisher gemacht hast und mach was dir gefällt. Verletze
niemanden und hör auf dich und dein Herz.
Dein 23j. Ich, Magdalena